Antonia Gruber: GOOD WIFE

12.05.24 – 16.06.24

Ausstellungsebenen [1 & 2]

„Good wife, wise mother“ – so wurde die ideale Rolle der Frau in der westlichen Gesellschaft zur Mitte des letzten Jahrhunderts verstanden. Heute steht dieser stereotypen Vorstellung der behütenden Mutter und sich dem Ehemann unterordnenden Ehefrau die selbstbewusste und unabhängige Frau der Gegenwart gegenüber.

Die Ausstellung „GOOD WIFE“ von Antonia Gruber erforscht diese veränderte Rolle der Frau. Dabei entscheidet sich die in Köln lebende Konzept- und Medienkünstlerin für eine ironische Perspektive auf die gesellschaftlichen Erwartungen, die sowohl in vergangenen Zeiten prägend waren als auch noch heute an Frauen herangetragen werden.

In ihrer Serie „BLUE DAHLIA_“ verschmilzt Antonia mit Künstlicher Intelligenz (KI) ihr eigenes biometrisches Passbild mit Porträtfotografien von Frauen aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Als Konglomerat aus Selbstbildnis und Fremdidentität verschließen sich diese Arbeiten dem Wesen des Porträts mit seinem Anspruch, die Identität der dargestellten Person sichtbar zu machen. Betont wird stattdessen die Oberflächlichkeit einer „überirdischen“ Schönheit, wie sie aus der Modefotografie bekannt ist. Die Künstlerin behält jedoch bewusst die während der digitalen Bildmanipulation entstandenen Störungen (glitches) bei, was die Künstlichkeit der so entstandenen Frauenbilder betont. Das digitale morphing des Quellenfotos erzeugt zudem einen „uncanny valley“-Effekt, d.h. die Bilder weisen einen derart hohen Grad an Realismus auf, dass sich beim Betrachten ein Unbehagen einstellt. Der Titel der Serie, BLUE DAHLIA_, lässt an den ungelösten Mord an der Hollywood-Schauspielerin Elizabeth Short im Jahr 1947, bekannt als „Black Dahlia Murder“, denken. Er weckt aber auch Assoziationen zum Motiv der blauen Blume in der deutschen Romantik, als Symbol für unerreichbare Schönheit; für das Unerreichbare grundsätzlich. Die Sehnsucht nach der blauen Blume wird hier zu einer Metapher für das Streben nach Emanzipation.

In den „HOLAROIDS“ verschmelzen drei hintereinander gestaffelte, transparente Polaroidfotos zu einem neuen Bild. Jedes einzelne Polaroid zeigt ein singuläres Porträt, zusammengenommen ergeben sie eine fiktive Figur. Die Polaroids überlagern sich und schaffen so eine Dreidimensionalität, die während des Betrachtungsvorgangs und aus sich verändernden Blickwinkeln weiter verstärkt wird. Die betrachtende Person wird so zum aktiven Teil und agiert als formgebendes Element.

Im 2. Obergeschoss der Kebbel Villa wird Antonia Grubers im Jahre 2022 von der Stadt Schwandorf angekaufte Arbeit „THE GOOD WIFE ́S GUIDE“ als große Videoinstallation präsentiert. Sie basiert auf hunderten von Werbespots und Benimm-Guides für Frauen aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Diesem Filmmaterial entsteigt das damals vorherrschende Frauenbild, das aus heutiger Sicht zwar antiquiert wirkt, Frauen aber immer noch, wenn auch in subtiler Form, begegnet. Die Brücke zum Hier und Jetzt schlägt die Künstlerin, indem sie mithilfe eines Deepfake-Programms ihr eigenes Gesicht dem der Protagonistinnen von damals maskenartig aufsetzt. Die Brüche im Bild unterstreichen die schon damals fragile Fassade. Dazu verliest eine männliche Siri-Stimme „Das Handbuch für die gute Ehefrau.“ Durch die Monotonie des Vortrages und die Verlangsamung der ursprünglichen Aufnahmen erweckt der Sprecher den Eindruck, aus der Zeit gefallen zu sein. Das „Handbuchs für die gute Ehefrau“ wurde angeblich erstmals in der „Housekeeping Monthly“ 1955 veröffentlicht, wobei unklar ist, wer dieses verfasst hat und wie ernsthaft der Inhalt ausgelegt werden sollte. So entsteht eine weitere Ebene zwischen Ironie und Zeitzeugnis. Die heutige Frau blickt uns durch das digital integrierte Gesicht der Künstlerin entgegen. Dem Text diametral entgegengesetzt, sprechen ihre Handlungen im Video: Diese erscheinen rebellisch, augenzwinkernd, anklagend aber auch höhnisch.

Antonia Gruber hinterfragt den Wahrheitsgehalt reproduzierter Bilder auf experimentell-radikale Weise. Die Erkundung und Darstellung innerer Zustände stehen dabei im engen Bezug zur Materialität des jeweiligen Mediums. Sie schlägt eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Realität und Fiktion und stellt durch gezielte Perspektivwechsel die Wahrnehmung infrage.

Antonia Gruber (*1993 in Remscheid, lebt und arbeitet in Köln) hat 2020 ihr Studium bei Prof.in Ute Mahler und Ingo Taubhorn an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin als Meisterschülerin abgeschlossen. 2016 erhielt sie ihren Bachelor of Fine Arts mit Auszeichnung als Studentin von Prof. Michael Reisch. Ihr wurden zahlreiche Förderungen und Preise zugesprochen, u.a. das Recherche- und Arbeitsstipendium für Bildende Kunst der Stadt Köln (2022), die Projektfonds Kulturförderung, Berlin Friedrichshain-Kreuzberg (2021), und der Reclaim Award (2019). Ihre Arbeiten wurden international in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, u.a. in der Galerie Falko Alexander, Köln (2024), im Japanischem Kulturinstitut, Köln (2024), im Kunstpalast, Düsseldorf (2023), Willy-Brandt-Haus, Berlin (2023), im ehem. Atomschutzbunker, Hemau (2022), Kunstverein Wesseling (Einzelausstellung 2020) und im Espace des Blancs-Manteaux, Paris (2017). 2023 lief ihr Video „THE GOOD WIFE ́S GUIDE“ im Wettbewerb der „29. Internationalen Kurzfilmwoche“ in Regensburg.

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