Mit Stefan Holzmair, Frida Kato, Anna Lena Keller, Barbara Posch und Ayaka Terajima
„Sind Peelings wirklich gut für die Haut?“ Mit dieser Frage betitelte die Zeitschrift Öko-Test einen ihrer Artikel in der März-Ausgabe 2023. Demnach hätten Peelings zwar viele Pluspunkte, insbesondere das gezielte Entfernen abgestorbener Hautpartikel, eine überaus gründliche Reinigung und Pflege der Haut oder auch positive psychologische Effekte. Im Grunde aber müsse festgehalten werden: Peeling kann nur „als leichte Selbstverletzung aus kosmetischen Gründen" beschrieben werden.
Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten variieren die Ambivalenz des Peeling-Prozesses – übrigens ist der Terminus „Peeling“ Pseudo-Englisch, denn im englischsprachigen Ausland werden Begriffe wie „body scrub“, „face scrub“ oder „exfoliation“ (dt.: Abblättern) verwendet – und knüpfen auf unterschiedlichen Ebenen, manchmal in stärkerer, manchmal in subtilerer Ausprägung an diesen an.
Mit grundsätzlichen skulpturalen Fragen nach der Konstruktion von Volumen, dem Zusammenhalt von Material und dem Manipulieren von Präsenz im Raum beschäftigt sich Barbara Posch sowohl im zwei- und dreidimensionalen als auch sprachlichen Bereich. Ihre beiden Papierarbeiten in der Ausstellung setzen sich mit geschlossen Systemen und deren Leerstellen auseinander. Bezüge zu bildgebenden Verfahren, durch die nicht sichtbare Strukturen erst sichtbar gemacht werden, stehen faktischen Leerstellen – hier: dem durchlöcherten Papier – gegenüber. Schon der Akt des Herauslösens eines Blatt Papiers aus einem Zeichenblock markiert für Posch bei Beginn einer künstlerischen Arbeit.
Die unglasierten, aber reich verzierten Keramiken von Ayaka Terajima gehen einerseits auf JŌmon doki (Erdgeschirr), eine der ältesten japanischen Töpferwaren, zurück, sind aber auch von modernen Kunststoffverpackungen inspiriert, die vor dem Hintergrund zeitaktueller Logistik hergestellt werden. Terajima interessiert sich für die Transformationsprozesse von Design, Material und Oberflächen bei der Massenproduktion und globalen Distribution. Für die Künstlerin wird der flüchtige Zustand der Körperlichkeit in unserer mechanisierten und digitalisierten Gesellschaft zunehmend von der Logistik bestimmt. Gleichzeitig aber richtet sich ihr Blick auch auf prähistorische spirituelle Prozesse, bei denen insbesondere die Schlange und der Mond – sie galten in der JŌmon-Zeit als absolute Symbole der materiellen Regeneration – im Mittelpunkt stehen.
Anna Lena Keller etwa verkehrt den für ein Peeling grundlegenden Akt des Abtragens: Sie setzt sich mit der Optimierung des menschlichen Körpers durch adaptiv an den Körper angeschnallte Apparaturen auseinander. Ihre Arbeit Limitation Game 1 bezieht sich auf das aus hydraulischen oder Batterie betriebenen Gelenken bestehende Exoskelett. Als Motiv in Science-Fiction und Popkultur ist es längt bekannt, dringt aber auch als Körpererweiterung immer stärker in den Alltag vor. In Kellers Wandarbeiten sind Teile von Gelenkschonern zu erkennen, die anschließend mit tierischem Leder bezogen und – angelehnt an Abformungsprozesse in der Archäologie – in Negativformen eingepasst sind. Durch die organische, rohe Materialität wirken diese Container wie „angepresst“ unter der glänzenden Oberfläche, erscheinen wie Teile einer artifiziellen Landschaft.
Stefan Holzmair erschafft phantasmatische Bilder und Skulpturen. Seine in opakes, mundgeblasenes Flachglas eingeschmolzenen Collagen werden aus den Fotos von Lifestyle Magazinen hergestellt. Collagen wie Skulpturen bedienen sich einer surrealen Formensprache, speisen sich aber auch aus einer digitalen Körper- und Materialwahrnehmung. Subjekte scheinen im Laufe eines mechanischen oder organischen Vorgangs oder einer Metamorphose erstarrt zu sein, vielleicht durch eine Störung des Verdauungsprozesses, ein fehlendes Enzym, einen zu leerenden Cache-filter oder einen infizierten Bio-port. Der erschöpfte Metabolismus manifestiert stoffliche, aber auch metaphysische, psychische und soziale Verdauungsvorgänge. Es sind Kreaturen zwischen Lebewesen und Apparat, die in sich selbst Netzwerke bilden, durch rätselhafte Öffnungen und amorphe Versorgungsleitungen Körperfunktionen suggerieren und sich in einem Zustand ständigen Wandels und permanenter Wiedererschaffung befinden. Sie sind Produkte einer neoliberalen Lebenswirklichkeit, die durch dauerhafte Verunsicherung laufende Anpassung und organische Flexibilität erfordert.
Frida Katos Kombination von Keramiken und Gerüstteilen ist von Kirchen und alten Gebäuden inspiriert, die für Restaurierungen und Reparaturen eingerüstet wurden. Durch Witterung abgetragene Schichten und über einen längeren Zeitraum entstandene Beschädigungen werden auf diese Weise repariert und kaschiert. Bei Kato sind es die überdekorierte Architektur katholischer Kirchen und barocker Gebäude, die formal als Referenzen dienten. Auch in Katos Ölgemälden spielt die Schichtung von Materialien eine zentrale Rolle.
Über die Künstler:innen
Stefan Holzmair (*1988 in Rosenheim, lebt in München) studierte von 2016 bis 2023 Freie Kunst an der Akademie der Bildenden Künste München in der Klasse von Nicole Wermers. 2023 gewann er den Debütantenpreis der AdBK München sowie den Kulturpreis Bayern. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Gruppenausstellungen gezeigt.
Frida Kato (*1990 in Tokyo, lebt in München) studierte von 2010 bis 2014 an der Zokei Universität Freie Kunst und von 2017 bis 2023 an der Akademie der Bildenden Künste München Bildhauerei. Ihre Arbeiten wurden in einer Einzelausstellung bei On May Fourth in Tokyo, Japan, gezeigt. Weiterhin sie nahm an zahlreichen Gruppenausstellung teil. Anna Lena Keller (*1993 in Weilheim i.OB., lebt in München) arbeitet vor allem im Bereich Skulptur und Installation. Sie studierte Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München und an der Accademia di Belle Arti di Roma in Italien und machte ihr Diplom im Februar 2023 in der Klasse von Nicole Wermers. Ihre Arbeiten wurden in Galerien wie der Produzentengalerie Hamburg, der Galerie der Stadt Schwaz und im Djerassi Sculpture Park in Woodside, Kalifornien, gezeigt.
Barbara Posch (*1991 in Österreich, lebt in München) studierte von 2017 bis 2023 Freie Kunst an der AdBK München und von 2011 bis 2015 an der Kunstuniversität Linz. Ihre Arbeiten wurden u.a. im PACT Zollverein Essen, der Produzentengalerie Hamburg, auf der POSITIONS Art Fair Berlin, bei Karl & Faber München und im Kunstraum Schwaz Tirol gezeigt. Posch arbeitet in Skulpturen, Bildern und Texten sowohl mit semantischen als auch mit tatsächlichen Funktionen und Qualitäten von Materialien.
Ayaka Terajima (*1987 in Japan, lebt in München) erhielt 2012 einen Bachelor in Fine Arts und 2014 einen Master in Fine Arts in Keramik von der Tokyo University of the Arts. Im Februar 2023 schloss sie ihr Diplomstudium in der Bildhauerklasse von Nicole Wermers an der Akademie der Bildenden Künste München an. Die Arbeit "Doki on the three days", die Teil des Diploms war, wurde von der Neuen Sammlung der Pinakothek der Moderne München erworben. Im Jahr 2022 wurde sie mit dem Frechener Keramikpreis, dem Preis der RheinEnergie und dem BKV-Preis des Bayerischen Kunstgewerbevereins ausgezeichnet.
Laufzeit der Ausstellung: verlängert bis 31.12.2023! Bis 20.12.2023 zu den regulären Öffnungszeiten zugänglich. Am 31.12.2023 exklusiv geöffnet für die Gäste des Silvesterkonzerts BYE BYE 2023!