Ausstellungsebene [EG]
Als „homies“ bezeichnen sich gewöhnlich Kumpels aus dem gleichen Viertel, die gut miteinander können. Kateřina Dobroslava Drahošová wurde 1988 im Böhmerwald geboren, unmittelbar hinter der Grenze zu Bayern, Patrick Ostrowsky ein paar Jahre später auf bayerischer Seite, genauer gesagt in Schwandorf: in der Oberpfalz. Beide entschieden sich für die Kunst: Kateřina hat sich insbesondere mit Konzepten nomadischen Lebens befasst. Patrick war bereits während seiner Studienzeit an Eindrücken und Einflüssen unterschiedlicher Orte interessiert.
Die Auffassung dessen, was ein „Heim“ sein kann, hat sich im 21. Jahrhundert durch die gesteigerte Mobilität und die Digitalisierung verändert. Früher waren Wanderjahre nicht nur wesentlicher Bestandteil der Ausbildung im Handwerk, sondern auch in der Kunst essenziell, ging mit diesen doch auch die Entwicklung der Persönlichkeit einher. Unterschiedliche Modelle des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens heute, im Wechsel zwischen analogem Leben und digitalem Kosmos, führen dazu, dass oftmals nicht mehr nur ein bestimmter, einzelner Ort als Heim empfunden wird. Für Künstlerinnen und Künstler macht eine kontinuierliche Ausstellungstätigkeit regelmäßiges Reisen unerlässlich. Patrick Ostrowsky, dessen aktuelle Lebensmittelpunkte in Basel, in der Schweiz und im bayerischen München, wo sich sein Studio befindet, befinden, meinte einmal: „Mein Heim ist eigentlich der Zug.“
Kateřina Dobroslava Drahošová ließ bereits während ihrer Studienzeit, ihre theoretische Beschäftigung mit nomadischem Leben konkret werden: Mit Freund und Hund bereiste sie in einem umgebauten Kastenwagen, den sie als Wohnraum, Atelier und teilweise auch als mobile Kunstgalerie nutzte, Belgien und Finnland. In den jüngst entstandenen Pastell- und Kohlezeichnungen, die sie in der Kebbel Villa im Dialog mit den bildhauerischen Arbeiten Patrick Ostrowsky präsentiert, verfolgt sie einen universalistischen Ansatz: Es geht ihr nicht um eine individuelle, an persönlichen Bedürfnissen ausgerichtete Verhandlung von Heim; vielmehr möchte sie für ein langfristiges Verständnis für den aktuellen Zustand unseres Planeten sensibilisieren, dem „Heim für alle“. Ihre auf den ersten Blick abstrakt und referenzlos erscheinende Zeichnungen lassen bei genauem Hinsehen Pflanzen, Blumen und zuweilen sogar Körperpartien erkennen, vereinzelt auch Häuser oder Hütten: Wenige Striche ergeben eine Architektur der einfachsten Form, in der die Idee eines Heims mitschwingt.
Patrick Ostrowskys Arbeiten haftet eine gewisse Uneindeutigkeit an. Sie konnotieren zuweilen Designer-Möbelstücke und Architektur-Modelle, sind aber klar im Bildhauerischen verhaftet. Im Spannungsfeld klarer Kanten und formloser Formationen finden sich kleinere Arbeiten, wie Aquarellmalereien und glasierte Keramiken, in größere Zusammenhänge integriert. Manchmal strahlen einzelne Partien aus sich heraus. Der Künstler nutzt minimalistischen Metallkonstruktionen, um darin aus unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten, Farbspuren, Plastiken und Alltagsobjekten eigene ästhetische Welten zu entwickeln. Gegenüber der Eingangstür hat Patrick Ostrowsky die kleinformatige Arbeit „a window (night vision)“ angebracht. In der Wand, an der die Arbeit installiert ist, befand sich einst ein Fenster, dass vor Jahre zugemauert wurde, um mehr Hängefläche zu schaffen. Indem er das kunsthistorische bedeutsame Fenster-Motiv aufgreift, macht Patrick in gewisser Weise das verborgene Fenster wieder sichtbar. Einen Ausblick, sei er real oder imaginiert, bietet sein „Fenster“ allerdings nicht. Mit seiner bläulichen Farbigkeit setzt es sich aber in Beziehung zu den blauen Pastellarbeiten von Kateřina Dobroslava Drahošová, die an mehreren Stellen in der gemeinsamen Ausstellung platziert sind.
Kateřina Dobroslava Drahošová (*1988 im Böhmerwald, lebt und arbeitet in Budweis, CZ) schloss ihr Studium 2015 an der Fakultät für Bildende Kunst in Ostrava, CZ, ab. Zwischen 2010 und 2013 erprobte sie nomadisches Leben im Rahmen mehrerer Reisen, u.a. nach Belgien und Finnland. Sie absolvierte eine ganze Reihe an Künstler:innenresidenzen, u.a. im Atelierhaus Salzamt in Linz, AT (2019), die Egon Schiele Residenz in Krumau, CZ (2015) oder die Mustarinda Art Residency in Finnland (2013). Ihre Arbeiten wurden international in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, u.a. in der Mustarinda Entrance Gallery in Prag, CZ (2022), der Kunstfabrik Groß Siegharts, AT (Einzelausstellung 2020), der Galerie české spořitelny in Prag, CZ (2019), und der Periscope Gallery in Salzburg, AT (2016).
Patrick Ostrowsky (*1991 in Schwandorf, lebt und arbeitet in München und Basel, CH) schloss sein Studium 2020 als Meisterschüler von Florian Pumhösl an der Akademie der Bildenden Künste München ab. Er studierte außerdem an der FHNW in Basel, CH, der Angewandten in Wien, AT, an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Accademia di Belle Arti in Rom, IT, und an der Freien Universität Berlin. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, etwa das USA Stipendium des Freistaats Bayern (2024), den Debütanten-Preis der Stadt Nürnberg und des Kunsthaus Nürnberg (2021) und die Projekt-Förderung der Erwin und Gisela von Steiner Stiftung (2020). Einzelausstellungen präsentierte er u.a. in der Galerie Britta Rettberg in München, im Rathaus für Kultur, Lichtensteig, CH (2019), und im Skulptureninstitut, Wien, AT (2019). Er nahm an zahlreichen Gruppenausstellungen wie „ZUHÖREN“ am Schafhof, Europäisches Kunstforum Oberbayern in Freising, DE (2024), „Junge Kunst“ in der Städtische Galerie Eichenmüllerhaus, Lemgo (2020) und „Boxenstop I“ in der Pinakothek der Moderne, München (2017) teil.
Die Ausstellung wird im Rahmen des vom BBK Bayern e.V. durchgeführten Programms „Verbindungslinien“ aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst gefördert.